FLUCHTPUNKTE // Tim Trantenroth
Einzelausstellung // Malerei // Ausstellung bis 19.04.2014
Solo Exhibition // Painting // Exhibition until 19/04/2014
Einladung zur Vernissage, Donnerstag, 27.03. um 19 Uhr
– in Anwesenheit des Künstlers – Einführung Dr. Bettina Krogemann
Invitation to the opening of the exhibition, 27/03/ at 7 pm
– the artist is present – introduction Dr. Bettina Krogemann
von Dr. Bettina Krogemann
Fluchtpunkte. Wenn sie uns auch namentlich an so etwas wie Flucht erinnern, so haben sie inhaltlich nichts mit einer solchen zu tun. „Fluchtpunkte“ sind eine Erfindung der Neuzeit, der Epoche der Renaissance. Sie wurden errechnet, um Räume perspektivisch in der Zweidimensionalen richtig darstellen zu können, was für das Fortkommen der Malerei dieser Zeit ganz entscheidend war, denn diese sollte so realistisch wie möglich sein. In der Antike bereits vorhanden, jedoch nicht mathematisch konstruiert, sondern intuitiv erfasst, wurden die „Fluchtpunkte“ im Wissenschaftszeitalter der Frührenaissance ergründet und kamen dann zu praktischer Anwendung. Wie wir uns dies vorzustellen haben? Für unsere Augen verkürzen sich mit zunehmender Distanz Gegenstände im Raum, sie konvergieren förmlich in Parallelen in die Tiefe. Um dies in der Zweidimensionalen darstellen zu können, unterliegt die Gesamtkomposition auf der Bildebene in die Tiefe führenden Geraden, die im Terminus Technikus „Fluchtlinien“ heißen und auf einen einzigen gemeinsamen Punkt zulaufen, der sich eben „Fluchtpunkt“ nennt. Bei den senkrecht zur Bildfläche laufenden Linien ist der „Fluchtpunkt“ identisch mit dem Augenpunkt. Die durch ihn gezogene Waagerechte heißt Horizontlinie. Entdeckt wurde dieses malerische Konstruktionsprinzip zur Beherrschung der perspektivischen Malerei von einem der wichtigsten Architekten der Frührenaissance, von Brunelleschi, in den Jahren von 1410 bis 1420, so die Forschung. Kurz, knapp, volksmundig zusammen gefasst könnte man sagen, dass bei „Fluchtpunkten“ eben alles zusammen läuft.
Tim Trantenroths Ausstellung „Fluchtpunkte“, die rund 600 Jahre nach der mathematischen Entdeckung der perspektivischen Darstellung konzipiert wurde, ist kein Renaissance-Ereignis – wie könnte das auch sein. Er hat mit seiner Ausstellung eher die Neudefinition eines bestehenden, nämlich dieses Galerieraumes geschaffen, ihm neue Perspektiven verliehen. Für Trantenroths Oeuvre sind versierte Spiele mit dem Raum an sich bezeichnend. Mit präzise durchkalkulkierter, teils serieller Trompe d´oeil-Malerei schafft er völlig neue Raumplanen, Perspektiven, neues Raumempfinden. Er verändert den optischen Auftritt eines Raumes, nichts ist so wie vor seinem Eingriff. Für die Galerie Flash schafft er, dies als erstes wahrnehmbar, eine neue Sicht von außen auf die ebenfalls neue Innenwelt des Galerieraumes. Er legt auf einer der großen Schaufensterscheibe ein „Gitter“ auf, das auf die Ornamentik islamischer Architektur zurückgeht. Wenn die Werke der Ausstellung „Fluchtpunkte“ motivisch von einer Istanbulreise des Künstlers inspiriert sind, so stehen die Arbeiten dennoch in erster Linie in dem Dienst, den Galerieraum neu zu definieren, ihm weitere Perspektiven zu geben. Eine großformatige Arbeit überformt eine reale Ecksituation und sprengt damit die Raumgrenzen. Andere Mittelformate nehmen gemalte Raumstrukturen mit Ein- und Ausblicken auf und spiegeln und vexieren die Wahrnehmung. Eine umfangreiche Reihe von Kleinformaten nimmt inhaltlich auf das Thema Perspektiven Bezug: Islamische, verschleierte Frauen sind zu sehen, die eine andere Sicht auf ihre Umwelt haben, als eine europäische, unverschleierte. Eine Überwachungskamera oder ein kleiner Ausschnitt einer Straßenbegrenzung sind Sujets. Perspektiven, neue Fluchtpunkte werden sichtbar gemacht – so lässt sich die Ausstellung wohl am treffendsten beschreiben.
Tim Trantenroth wurde 1969 in Waldsassen im Fichtelgebirge geboren. Er studierte an den Kunstakademien in Münster und Düsseldorf, letztere verließ er 1996 als Meisterschüler. Nach mehreren Auslandsaufenthalten zog er 1999 nach Berlin, wo er heute lebt und arbeitet. Seit 1995 sind seine Arbeiten in zahlreichen Einzelausstellungen im In- und Ausland zu sehen gewesen. „Fluchtpunkte“ ist seine erste Ausstellung in München.